immer wieder der butler

Von Günter Daubenmerkl

Das Erstaunen der Gäste, die zur Testamentseröffnung nach dem Tode von Harald Seymour geladen sind, ist groß. Warum ist es gerade der Butler, der den Ablauf dieses Treffens bestimmt, der ihnen den letzten Wunsch des Verstorbenen in Form eines Spiels nahebringt? Der das Spiel leitet und dafür sorgt, dass es nach dem Willen des Verstorbenen abläuft und der Gewinner des Spiels das Erbe zugesprochen bekommt?

Man muss die Geschichte dieser wahrhaft englischen Institution „Butler“ kennen, um die Antwort darauf zu finden. In den englischen Whodunnits begegnen uns in unzähligen englischen Landhäusern Butler als ordnende, fast unsichtbare Figur, diskret, loyal und professionell. 

In Kazuo Ishiguros The Remains of the Day lernen wir in Butler Stevens das Idealbild eines Butlers kennen: Er besteht aus vollkommener Dienstbeflissenheit, Ergebenheit, Loyalität und Würde, gepaart mit den sehr britischen Eigenschaften des Understatements, der Kühle, der Reserviertheit und der Diskretion. Er ist eine Figur, der Gefühlsausbrüche fremd sind. Doch inwieweit entspricht das der historischen Figur eines Butlers?

In den englischen Whodunnits begegnen uns in unzähligen englischen Landhäusern Butler als ordnende, fast unsichtbare Figur, diskret, loyal und professionell.

Das Berufsbild des Butlers spiegelt sich in den Machtstrukturen der englischen Gesellschaft vom Mittelalter bis heute wider. Im frühen Mittelalter ist der butler oder auch yeoman of the buttery  (Speisekammer für Brot, Butter und Bier) im königlichen oder adligen Haushalt eine feste Größe. Als oberster nicht adliger Diener kümmerte er sich nicht um die Speisen, sondern um den Keller, um Wein, Bier und sonstige alkoholische Getränke und servierte bei Tisch. Damals hielt sich der königliche Hof nicht an einem festen Ort auf, sondern reiste von Schloss zu Schloss. Diese reisenden Haushalte umfassten bis zu 300 Personen, neben den Regierenden und dem Adel gehörten dazu Priester, Diener aus dem niederen Adel, Hauspersonal und Knechte. Der ganze Hausrat, Pferde und Wagen gehörte ebenfalls dazu. 

Im 18. Jahrhundert kopierte der niedere Landadel diesen Lebensstil. Da Landbesitz und Pachtwesen nicht mehr genug einbrachten, zog die Gentry vermehrt in die Städte, allen voran London, die für sie Handel, Kontakte, Jobs, also Geld bedeuteten. Die Oberschicht musste sich in den Städten aber auf eine Partnerschaft mit der aufstrebenden bürgerlichen Mittelschicht einlassen. Die Gentleman-Servants zogen sich aus den Haushalten des Adels zurück. 

Der Butler als ranghöchster Diener eines Haushalts gewann an Bedeutung. Er wurde zum Herrscher über die männlichen Bediensteten und garantierte den reibungslosen Ablauf des Haushaltes. Neben ihm gab es die Haushälter/in, die dem weiblichen Personal vorstand und den Koch/die Köchin. Vom Butler wurde erwartet, dass er nicht heiratete, damit er nicht von seinen Pflichten abgelenkt wurde. Doch häufig kam es zu Verbindungen mit Haushälterinnen, mit denen gemeinsam sie sich selbständig machten und kleine Pensionen, Kneipen oder Läden eröffneten. Durch das Wachstum der Städte, den zunehmenden Reichtum der bürgerlichen Mittelschicht und den Zuzug der Gentry wuchs der Bedarf an Personal. Die Dienstboten verkauften jetzt ihre Arbeitszeit gegen Essen, Unterkunft und ein Taschengeld, sie schlossen sich zusammen und wechselten auch ihre Stellen. Und sie begannen, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren.

Der Butler als ranghöchster Diener eines Haushalts gewann an Bedeutung. Er wurde zum Herrscher über die männlichen Bediensteten und garantierte den reibungslosen Ablauf des Haushaltes.

Im viktorianischen Zeitalter wurde es für die Haushalte immer schwieriger, gutes und zuverlässiges Personal zu bekomme. Besonders loyale und fähige Butler waren schwer zu finden. Der Butler überwachte das Personal, stellte es ein und entließ es. Gute Butler waren anerkannt, erwarben sich einen Ruf in der Gesellschaft und hatten sogar ihre eigenen Clubs. 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in England noch ca. 50.000 Butler, eine Zahl, die nach dem 2. Weltkrieg schnell abnahm. Neuerdings ist der englische Butler jedoch wieder auf der ganzen Welt gefragt. Die Nachfrage ist größer als das Angebot, obwohl es in England Butler-Schulen mit hohen Bewerberzahlen gibt. Butler, die unauffällig im Hintergrund bleiben, mit ungehobelten Gästen fertig werden, das Tafelsilber glänzend polieren können und den Wein in der richtigen Temperatur servieren, die diskret, zuverlässlich und loyal sind, werden gesucht. 

Alle Versuche von Teilnehmer/innen an diesem Inheritance Game, das Spiel zu manipulieren und in ihrem Sinne zu beeinflussen, scheitern an der Person des Butler James.

Doch die Anforderungen an einen Butler sind heute weitaus höher, und ihre Arbeitsplätze finden sich kaum noch in englischen Herrenhäusern und im Hochadel, sondern in den Häusern der Millionäre Amerikas, bei den Scheichs der arabischen Staaten, in Russland, China und Japan und in den Luxushotels in aller Welt. Der moderne Butler muss mit den modernsten technischen Geräten vertraut sein und Reisen organisieren können, er muss wissen, wo man handgemachte Schuhe und Hemden kaufen kann, die teuersten Uhren- und Automarken und er muss natürlich alle Champagner-, Wein- und Zigarrensorten kennen. Das Besorgen von Theaterkarten, Hotel- und Restaurantreservierungen gehört zu seinen Aufgaben  ebenso wie die Haushaltsabrechnung. Er muss wissen, welches die richtige Anrede ist und muss notfalls als Chauffeur, persönlicher Assistent, Kammerdiener, Sommelier, Kindegärtner, Bodyguard, Organisator von Festen einspringen können, und er muss die Koffer packen und seinem Arbeitgeber in Kleidungsfragen und in der Kunst des guten Benehmens als Vorbild dienen können.

Geblieben ist der Wunsch derjenigen, die sich einen Butler leisten können, nach absoluter Loyalität und Zuverlässigkeit des Butlers, der Wunsch, dem Butler immer vertrauen zu können. In dieser absoluten Vertrauenswürdigkeit liegt der Grund für die Wahl des Butlers zum Spielleiter in The Inheritance Game. Alle Versuche von Teilnehmer/innen an diesem Inheritance Game, das Spiel zu manipulieren und in ihrem Sinne zu beeinflussen, scheitern an der Person des Butler James. Seine Loyalität zu seinem verstorbenen Arbeitgeber bestimmt letztlich das Spiel und sorgt für einen reibungslosen Ablauf des Abends.

Photo (c) Cindy Nguyen

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