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das gelächter im hintergrund

Die unterschwellige Komik in Macbeth

Günter Daubenmerkl

Schon immer hat es mich verwundert, dass Macbeth, ein verständiger Mensch, ein Krieger und zuverlässiger Vasall seines Königs und ein Tatmensch, auf die nebulösen Vorhersagen der drei zweifelsohne „weird“ Schwestern hereinfallen kann; dass er seine realistische Weltsicht aufgibt, um vagen Versprechungen zu folgen, die zwangsläufig (und für uns vorhersehbar) seinen Untergang zur Folge haben müssen. Liegt nicht in diesem irrationalen Verhalten des Macbeth, der seine bisherige Lebensphilosophie auf den Kopf stellt, eine versteckte Komik verborgen? Der loyale Vasall wird zum Mörder seines Herrn, der Beschützer des Königs zum Aufrührer, der ehrbare Untertan zum Verbrecher. Die Regeln der Moral gelten für ihn nicht mehr, und die Ordnung der Welt wird auf den Kopf gestellt. 

Liegt nicht in diesem irrationalen Verhalten des Macbeth, der seine bisherige Lebensphilosophie auf den Kopf stellt, eine versteckte Komik verborgen?

Ausgehend von Bemerkungen Thomas Rymers (1641–1713) und Dr. Samuel Johnsons (1709–84), die Shakespeares Stärke ohnehin in der Komödie sahen, postulierte 1979 Susan Snyder in The Comic Matrix of Shakespeare’s Tragedies, dass auch in Shakespeares Tragödien Strukturen der romantischen Komödie enthalten seien. Sie verwirft den Begriff des „comic relief“, der seit John Drydens Essay Of Dramatick Poesie (1668) für die komischen Interludien in einer ernsten Handlung gebraucht wird, und ersetzt ihn durch das Bild eines „Reliefs des Komischen“, wie es A.P. Rossiter 1961 vorgeschlagen hatte. Wie beim Schneiden eines Reliefs die in der Tiefe des Materials verborgenen Schichten sichtbar werden, käme in Shakespeares Tragödien die permanent im Untergrund vorhandene Komik an die tragische Oberfläche – und in seinen Komödien andererseits die tragischen Elemente. So sind in Shakespeares Tragödien und Komödien also immer beide, Tragik und Komik, latent vorhanden. Ob wir dann ein Drama als Tragödie oder als Komödie bezeichnen, scheint nur eine Frage des Übergewichts von tragischen oder komischen Elementen zu sein, wobei die Übergänge oft fließend sind und auch vom Blickwinkel des Betrachters abhängen. Unter der Oberfläche ist aber stets die jeweils andere Form vorhanden. Komödie und Tragödie können somit auch als zwei Seiten derselben Medaille betrachtet werden. 

In Macbeth, von vielen als Shakespeares dunkelste Tragödie bezeichnet, liegt die latente Komik darin, dass Macbeth, ein bodenständiger, aber weltunerfahrener Haudegen, für bare Münze nimmt, was ihm die Hexen prophezeien, die sich für den Zuschauer bereits durch ihr Auftreten als unglaubwürdig outen. Macbeth wird dadurch das Opfer einer komödienreifen Intrige der Hexen, die ihre Verwandtschaft mit den Gartenszenen in Much Ado About Nothing und The 12th Night nicht leugnen kann. Die komödienhafte Leichtgläubigkeit des Macbeth, der weder die Unwahrscheinlichkeit noch die Doppeldeutigkeit der Wahrsagungen durchschaut, kann den Zuschauer, der aus seiner Distanz die Zweideutigkeit der Wahrsagungen schnell durchblickt, zu einem wahrhaftigen homerischen Überlegenheitslachen, zu einem Lachen aus Schadenfreude über den betrogenen Betrüger verleiten. Er fällt auf die Intrige genauso herein wie andererseits Benedick, Beatrice und Malvolio in den Komödien.

Es ist bei Shakespeare nicht mehr die tragische Ausweglosigkeit, in der sich die antiken Dramenhelden verstrickten, sondern die leichtgläubige Verführbarkeit des Menschen durch Ehrgeiz, Habsucht und Machthunger, durch das unsozial Böse in ihm. Und es sind nicht mehr die Götter, die über die Menschen lachen, sondern die Menschen selbst, die jetzt ihresgleichen schadenfroh und spöttisch lachend beim Untergang beobachten. Es ist das Lachen des Komödianten und des Philosophen, der um die Vergeblichkeit allen menschlichen Ehrgeizes, um Selbstbetrug und Eitelkeit weiß.

Die tragische Ironie im Stück liegt letztlich darin, dass sich die Worte der Hexen weit über Macbeths Vorstellungsvermögen hinaus als wahr erweisen.

Diese Komik ist allerdings in eine tiefere Schicht zurückgetreten und kommt nur in einzelnen Szenen wie bei einem Relief an die Oberfläche – um den Gedanken Susan Snyders zu folgen. Die tragische Ironie im Stück liegt letztlich darin, dass sich die Worte der Hexen weit über Macbeths Vorstellungsvermögen hinaus als wahr erweisen und dass der Protagonist das, was er am meisten anstrebt, durch Unterdrückung des Volkes und durch Mordbrennerei selbst zerstört. Ebenso wie bei Faustus, der seine Ideale verrät und dessen Streben um Erkenntnis und Wissen bald billigem Machtstreben und der Genusssucht weicht, ist in Macbeth im Hintergrund permanent Mephistos hämisches Gelächter zu hören. 

Abgesehen von der latent immer vorhandenen dramatischen Ironie, dem Wissensvorsprung des Zuschauers, wird entsprechend Susan Snyders Modell in Macbeth die glatte Oberfläche der Tragödie mehrmals von offensichtlicher Komik durchbrochen. So wurde die Groteske der Hexenszenen schon früh als Quelle für Komik angesehen. Die Funktion und der Zweck der Hexen wurde von William Davenant (1606–68) geändert, um opernhafte Effekte zu erzielen. Die Akteure wurden zu Komödianten und die Hexenszenen schienen Teil einer Komödie zu sein und dienten fast nur als eine Gelegenheit für Gesangseinlagen oder für ein Ballett. Das Klatschmaul Samuel Pepys, der einen großen Teil seiner Einkünfte für Theaterbesuche ausgab, bezeichnete in seinem Tagebuch Macbeth als „most excellent play especially in divertisement“ (7.1.1667) und „one of the best plays for story and variety of dancing and musique that I ever saw“ (14.4.1667).

Die Hexen und ihre topsy-turvy Welt und ihre Sprache sind voller sexueller Innuendi, die eigentlich Elemente der Farce sind, und reizen den Zuschauer zu Gelächter.

In den Hexenszenen wird die gewohnte Weltordnung und Welterfahrung verzerrt und auf den Kopf gestellt. Die Hexen, groteske Zwitterwesen zwischen Mann und Frau und Mensch und Tier, und ihre topsy-turvy Welt ebenso wie ihre Sprache voller sexueller Innuendi, die eigentlich Elemente der Farce sind, reizen den Zuschauer zu Gelächter. Man kann in diesem Zusammenhang sogar überlegen, ob nicht auch Lady Macbeth der grotesken Hexenwelt zuzuordnen ist. Durch ihre Äußerungen „unsex me“, make thick my blood“ und „take my milk for gall” stellt sie sich außerhalb des üblichen Frauenbildes und verzerrt ihr Bild ins Groteske. Den Hexen gleich, verlockt und verführt sie schließlich Macbeth zum Königsmord.

Auch wenn DeQuincey in seinem Essay The Knocking at the Gate in Macbeth das Klopfen an der Pforte als das Einsetzen der Reaktion nach dem Grauen der Nacht mit dem Königsmord und dem Aufruhr der Natur bezeichnet, kann man die „Porterszene“ ebenso auch als eine Parodie des Infernos in Dantes Divina Comedia sehen. Wie bei Dante Vergil und der Dichter Zutritt zur Hölle erbitten, verlangen nun Macduff und Lennox vom Pförtner Zutritt zu Macbeths Burg Dunsinane, das nach dem Königsmord zur Hölle geworden ist. Sich selbst bezeichnet der Pförtner als Höllenpförtner und beschreibt die Bewohner dieser Hölle ähnlich Dante. Seine raue Sprache, die Shakespeare den niederen Klassen zugeteilt hat, reizt uns mit ihren Bildern und Puns zum Lachen, das uns Wissenden allerdings schnell im Halse stecken bleibt: der Farmer, der sich verrechnet hat wie Macbeth, der Wortverdreher, der, wie Macbeth, immer eine Ausrede zur Hand hat, der Betrüger, der, wie Macbeth, falsche Versprechungen gemacht hat, und als Schlimmsten von allen der Verräter, der bei Dante als der verwerflichste aller Übeltäter im tiefsten Kreis der Hölle im Eissee eingefroren ist. Die parodierenden Übertreibungen und Verzerrungen der Szene rufen komische Effekte hervor, obwohl sie Insassen des Infernos beschreiben. 

Während die Welt um ihn herum zusammenbricht, spielt Macduffs Sohn mit seinem Spielzeug.

Wie so oft, wird uns auch in Macbeth die Wahrheit durch Kinder und Narren verkündet. Der junge Macduff tritt als weiser Narr auf, als ein rechtloser Träger der objektiv abstrakten Wahrheit, wie Wesselowskij bei Bachtin sagt. Während die Welt um ihn herum zusammenbricht, spielt Macduffs Sohn mit seinem Spielzeug. Er scheint nicht zu verstehen, was vorgeht, gibt uns aber einen Exkurs über Verrat und über den Verrat des Macbeth an König und Volk. Mit seinen kindlich-naiven Fragen erinnert er an Clowns aus anderen Shakespeare-Stücken, an Feste und Touchstone, an den Bauern in Antony and Cleopatra oder an die Totengräber in Hamlet, allesamt komische Figuren.

Macbeth ist nicht wie Hamlet im tragischen Zwiespalt zwischen der Scylla der Pflicht (den Mord am Vater zu rächen) und der Charybdis des Gebotes (der Moral) gefangen, sondern er verstößt von Machtträumen geblendet blind und gleichzeitig sehenden Auges gegen moralische Regeln, um eigene Ambitionen zu erfüllen. Während in der griechischen Tragödie der Mensch als Opfer einer Laune der Götter zum Objekt ihrer zynischen Schadenfreude gemacht wird, lacht in der Tragödie der Neuzeit Mephisto als Antagonist des faustischen Menschen über die Verführbarkeit seiner Opfer, die aus eigenem Antrieb ihre Seele für Macht, Reichtum und Lust verkaufen. Mephistos hämisches Gelächter ist bei jeder Staatsaktion, bei jedem Vertrag, bei jedem Schwur im Hintergrund unüberhörbar vernehmbar – und wir Wissenden stimmen in seinen Spott über die sich selbst überschätzenden Dramenhelden ein. „Man’s vanity is the comedian’s province“, stellte A. P. Rossiter fest, und somit beruht die Komik in Macbeth auf dem Lachen über den betrogenen Betrüger, und der wiederum ist ein zeitloses Komödien-Sujet.

Foto (c) David Heuberg

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